Als Anna Ludwig findet, liegt er im
Bett. Nach einer Überdosis Tabletten ist er in einen tiefen Schlaf
gefallen. Man würde erwarten, dass Anna nun panisch den Notarzt
ruft. Doch nein, sie setzt sich an sein Bett, betrachtet den
bewusstlosen Ludwig und beginnt zu reden. Was im ersten Moment
irrational und hartherzig erscheint, erschließt sich beim weiteren
Lesen als wortgewaltiger Ausbruch einer ungehörten Frau.
Die von ihren Mitmenschen unbeachtete
Anna und Ludwig, der weltgewandte Karrieremensch, der nur Bewunderung
erntet - ein Paar, wie es unterschiedlicher nicht sein kann. Ihre
Beziehung ist geheimgehalten sowie auch die Gefühle des Paares.
Sorgen und Nöte sind für Ludwig ein Ausdruck von Schwäche und
dafür hat er in seiner Welt keinen Platz. Er lässt die Frau an
seiner Seite emotional verhungern und so muss diese alleine fertig
werden, mit der Krankheit ihrer Mutter und mit ihrer Vergangenheit.
Mit „Wenn die Nacht am Stillsten ist“
legt Arezu Weitholz ein kleines Buch großer Worte vor. Die ersten 40
Seiten umfassen einen Monolog Annas, während sie an Ludwigs Bett
sitzt. Ihre Gedanken springen hin und her und man kann die Situation
nicht sofort erfassen. Das zweite Kapitel befasst sich mit dem Tag
vor dem einschneidenden Erlebnis. Hier wird der Erzählstil ruhiger
und man fühlt sich schnell mitten im Geschehen. Die Charaktere und
Orte entstehen lebendig vor dem inneren Auge des Lesers. Und auch die
Emotionen Annas schwappen aus den Buchseiten heraus. Man empfindet
Mitgefühl mit dieser einsamen Frau und möchte ihr gerne beistehen.
Etwas störend empfand ich, dass das
Buch in lediglich zwei Kapitel unterteilt ist und es so etwas
schwierig ist, einen Absatz zu finden, um das Lesen zu unterbrechen.
Aber da das Buch eine geringe Seitenzahl von 200 beträgt, habe ich
einfach immer weiter gelesen, die Geschichte entwickelt einen Sog und
lässt einen nicht mehr los. Die von Frau Weitholz verwendete
Sprache ist wunderschön und ich habe bewusst langsam gelesen um kein
einziges Wort, keinen Satz zu verpassen sondern alle aufzunehmen. Das
Ende kommt viel zu schnell und lässt den Leser im ersten Moment
ratlos zurück. Im nächsten Augenblick ist genau dieses Ende zum
Roman passend – jedes Andere wäre zu trivial.
Das Buch klingt toll. Ich habe es direkt bei Amazon auf die Wishlist gepackt :) Danke für den Bericht.
AntwortenLöschenLG
Chaoselfe